BUND-Lörmecketal Ortsgruppe Kallenhardt im September 2012
In diesem Sommer haben wir über 50.000 junge Erdkröten und viele Grasfrösche in unseren Sammelboxen am Krötenzaun eingesammelt, aber es war ein weiter Weg bis zu diesem Erfolg.
Eher zufällig entdeckten wir im Juni 2008 auf einer Privat-Straße, die an einem größeren Teich vorbei führt, Hunderte von kleinen Erdkröten, die sich aufwärmten und die Straße eigentlich unpassierbar machten. Selbst durch geringen Autoverkehr und einige Wanderer wurden die Tiere reihenweise überfahren oder totgetreten. Im Laufe des Jahres haben wir uns dann in der Ortsgruppe Gedanken gemacht, wie wir diese Wanderbewegung schützen könnten.
2009 galt es erst einmal genau zu beobachten, wo die jungen Kröten die Straße querten und welche Länge ein Zaun überhaupt haben müsste. Den 21.6.2009, einen Sonntag, werde ich wohl nicht so schnell vergessen. Bei 12°C und Sonne und Schauerwetter im Wechsel erinnere ich mich noch sehr genau an unsere verzweifelten Versuche, die Kröten an der Teichseite der Straße abzusammeln und gegenüber in den Wald zu setzen, während eine große Autokolonne auf Einladung von Herrn Westerwelle zu einer Parteiveranstaltung vorbeifuhr und immerhin interessiert verfolgte, was wir da überhaupt trieben. Glücklicherweise wussten die kleinen Krabbler Bescheid und kamen nach dem Übersetzen nicht mehr zurück auf die Straße.
Jetzt wurde uns klar, ein Zaun musste her. In vielen Gesprächen vor Ort, Internetrecherchen und Telefonaten war dann klar, wie wir 2010 vorgehen wollten: Mit Unterstützung vom Kreis konnten 250 m Zaunfolie angekauft werden. Für das Auffangen der Winzlinge entschieden wir uns für Baumarkt-Boxen, in die die Kröten mit einem selbst ausgetüftelten Abweiser hineinfallen sollten.
Jetzt neugierig geworden interessierte uns natürlich auch, was sich denn überhaupt im Frühjahr tat, denn ohne Wanderung zum Laichgewässer konnten ja keine Jungkröten wandern. Umso erschreckender die Erkenntnis eines Sonntagmorgens im März 2010, als über 100 überfahrene Kröten gezählt wurden, die auf dem Weg zum Teich überfahren worden waren. Der Zaun für den Sommer war ja geplant, ein Frühjahrszaun erschien uns jetzt auch nötig. Aber für das Jahr 2010 war dieser Zug abgefahren.
Ende März bis Mitte April 2010 tummelten sich viele Erdkröten im Glenneteich. Am 18.4. konnten keine Kröten mehr im Teich beobachtet werden, dafür wurden am 20. April die ersten Laichschnüre gesichtet. Am 22.6. konnten wir bei Jungkröten im Teich den Hinterbeinansatz erkennen und 79 Tage nach Beobachtung der ersten Laichschnüre sichteten wir die ersten Jungkröten, die sich auf den Weg in ihre Sommerwohnungen im Buchenwald machten. Jetzt waren wir alle gespannt, wie sich unsere Zaunkonstruktion bewähren würde. 11 Tage stand der Zaun, 3x am Tag wurden die Boxen geleert. Mit Presseinformationen, Tafeln am Zaun und in vielen Gesprächen mit Spaziergängern haben wir versucht, Interesse für das Wunder der Krötenwanderung zu wecken. Am Ende zählten wir ca. 2.100 junge Erdkröten und 32 junge Grasfrösche, nebenbei waren noch 60 Molche nach dem Laichen zurück gewandert. Insgesamt war das Ergebnis ernüchternd, es lag wohl am extrem trockenen Wetter, dass so wenige Kröten die Metamorphose geschafft hatten.
Am 5.3.2011 hatte unser Zaun für die ablaichenden Kröten Premiere, der im gleichen Bereich auf der anderen Straßenseite aufgebaut wurde (250m). Nach einem Monat waren etwa 2.700 Erdkröten sicher in den Teich gebracht worden, dazu einige Grasfrösche und etwa 180 Teich- und Bergmolche. Nur sehr wenige Tiere waren überfahren worden. Spaziergänger lobten unsre Aktion, früher hätte die Straße einem Schlachtfeld geglichen. Als Problem erwies sich, dass die Erdkröten in einem Bereich zum Teich strebten, der über die 250m Zaun weit hinaus reichte. Deshalb mussten wir mehr als die Hälfte der anwandernden Kröten einzeln von der Straße auflesen-die Wirbelsäule lässt grüßen.
Während des Sommerzauns 2011 (20.6. bis 11.7. in gleicher Größe wie im Vorjahr) profitierten die Erdkröten von der feucht-warmen Witterung. Über 16.000 fingen wir in den Boxen auf, dazu fast 100 junge Grasfrösche und ca. 130 erwachsene Molche.
Über den weiteren Fortgang im Jahr 2012 ist schnell berichtet: Vom 11.3. bis zum 7.4. schützten nunmehr 650 m Zaun die Wanderung. 2713 Männchen, 632 Weibchen und über 300 Teich- und Bergmolche konnten wir auffangen. Beim Entleeren der Eimer morgens am Teich fielen etliche regelrecht ausgeweidete Kröten auf, die zerfetzt herum lagen. Bald stellte sich heraus, dass ein Mäusebussard sich immer wieder über die Tiere am Teich hermachte. In einigen Presseberichten, Aushängen am Zaun und einem humorvoll aufgemachten „Bericht des Vorsitzenden auf der Frühjahrsversammlung der Glenne-Erdkröten: Liebe Artgenossen, liebe Gäste,….“ haben wir immer wieder versucht, auf das Wunder Erdkrötenwanderung hinzuweisen.
Nach der Beobachtung des ersten Laichs am 3.4. wurde die Jungkrötenwanderung auf den 22.6. taxiert (+80 Tage Laichentwicklung). Vom 25.6. bis 19.7. hatten wir wieder den Sommerzaun aufgebaut. Die häufig feuchte und dabei warme Witterung begünstige diesmal die Entwicklung der Jungkröten. Vom 25.6. bis 19.7.2012 zählten wir ca. 54.000 Metamorphlinge (junge Erdkröten), dazu 379 junge Grasfrösche und über 400 erwachsene Molche als Rückwanderer nach dem Ablaichen im Frühjahr.
Tabelle Krötenzäune 2010 bis 2012:
Erdkröten Männchen |
Erdkröten Weibchen |
Kröten-Meta-morphlinge |
Grasfrösche |
Teichmolche |
Bergmolche |
|
2010 Sommerzaun |
|
|
2.151 |
32 |
57 Rückwanderer |
1 Rückwanderer |
2011 Frühjahrszaun |
2.604 |
393 |
wenige |
179 |
24 |
|
2011 Sommerzaun |
16.630 |
66 |
94 Rückwanderer |
62 Rückwanderer |
||
2012 Frühjahrszaun |
2.713 |
632 |
wenige |
260 |
48 |
|
2012 Sommerzaun |
54.322 |
379 |
352 Rückwanderer |
84 Rückwanderer |
Kritisches Nachdenken über unsere Arbeit mit den Krötenzäunen
Die Zahl der zum Ablaichen am Zaun erfassten Tiere blieb von 2011 auf 2012 in etwa konstant. Allerdings erschienen im Sommer erheblich mehr junge Erdkröten und Grasfrösche am Zaun. Die Steigerung ist mit der Einflussnahme der Witterung auf das Gelingen der Metamorphose zu erklären, i.a. schaffen 0,2 bis 4 % der Erdkröten-Larven die Umwandlung. Bei den diesjährigen guten Bedingungen waren es bei uns ca. 1,5% (600 Weibchen x 6.000 Laicheier x 1,5%= 54.000 Metamorphlinge).
Wegen der großen Zahl wird sich die Krötenpopulation in der Zukunft wahrscheinlich erhöhen (geschlechtsreif sind in 3-4 Jahren (M) oder in 5 J. (W)). Hier setzt unser kritisches Nachdenken ein, welche Bedeutung die Erdkröten (und andere Amphibien) eigentlich in Wald und Feld haben. Zunächst haben Erdkröten eine Menge Feinde: Zitat (2):„Adulte Erdkröten sind durch ihre Giftdrüsen vergleichsweise gut gegen viele Prädatoren (=Räuber/Beutegreifer) geschützt, dennoch werden sie, v. a. Metamorphlinge, häufig gefressen. Im Juni/Juli waren morgens immer wieder Amseln im Teichbereich zu beobachten. Vögel und Raubsäuger gehören zu den wichtigsten Fressfeinden. Eine Auswertung zur Bedeutung der Art als Nahrung für Vögel in Mitteleuropa zeigt, dass eine Vielzahl von Beute greifenden Vogelarten erwachsene Tiere meiden oder nur ohne Rückenhaut fressen. Vor allem Bussarde“ _eigene Beobachtung am Frühjahrszaun _ „und Schwarzmilane scheinen aber regelmäßig adulte Kröten zu fressen. Bei Jungtieren (insbesondere Metamorphlingen) und Larven ist der chemische Schutz wesentlich geringer ausgeprägt und die Zahl der in Frage kommenden Fressfeinde unter den Vögeln entsprechend höher“. Auch Waschbären fressen erwachsene Kröten. Nach Arno Geiger (Fachmann für die Erdkröte beim LANUV-Recklinghausen) „fressen Wildschweine in einzelnen Fällen Ekr., nicht massiv, eher wie ein Fuchs eine Maus frisst“.
Nicht nur Fressfeinde machen den Erdkröten zu schaffen, sondern auch Parasiten und Krankheiten. Zitat nach (2): „Myiasis (oder auch Fliegenmadenkrankheit), verursacht insbesondere durch die Krötengoldfliege (Lucilia bufonivora), gehört zu den bekanntesten Parasitosen bei Erdkröten. Auch in NRW sind …..relativ viele Fälle von Goldfliegenbefall dokumentiert worden. Erst in jüngster Zeit wurde deutlich, dass dieses Phänomen vergleichsweise weit verbreitet ist und der Befall vermutlich erheblich zur Sommermortalität adulter Erdkröten beitragen kann (WEDDE LIND & KORDGES 2008)“ (Die Fliegenmadenkrankheit konnte auch bei uns im Sommer 2012 an einer erw. Erdkröten beobachtet werden. Als Abwehrreaktion kann sich die Kröte gelegentlich schnell häuten und sich damit dem Fortschreiten der Madenentwicklung im Körper entziehen.
Zitat nach (1): „Andererseits fressen insbesondere Wildschweine Laich, Larven und adulte Amphibien (Lippuner 2003). Leider benutzen Jäger Suhlen und Tümpel im Wald häufig als Kirrplätze für Wildschweine –Kirrung dient der gezielten Bejagung einer bestimmten Wildart). Durch das massive Einbringen von Mais eutrophieren diese Kleingewässer derart, dass sie für Amphibien stark entwertet werden. Die zunehmende Präsenz des Schwarzwilds erhöht den Prädationsdruck“ (durch Prädatoren =Beutegreifer) … die ihre Beutetiere oder Wirte töten, nach Wikipedia). „Es wird vermutet, dass die stetig steigenden Schwarzwildbestände einen bedeutenden Einfluss auf Schlangenbestände ausüben können (FILIPPI & LUISELLi 2002, VÖLKL & Thiesmeier 2002). Fütterungsplätze, aber auch Kirrungen sollten weder innerhalb von wichtigen Lebensräumen der Amphibien oder Reptilien noch in deren näherem Umfeld angelegt werden. Gewässer-, Ufer-, Moor- und Heideränder, Blockhalden und besonnte Waldränder sind ungeeignete Standorte.“
Nützlinge für Menschen: Aber Ekr. werden nicht nur gefressen, sie fressen auch Regenwürmer und Wirbellose aller Art als ökologische Schädlingsbekämpfung (gegen Schadinsekten) und sind daher eine Wohltat für Forst- und Gemüsekulturen, besonders wichtig bei Monokulturen (nach Arno Geiger-persönliches Gespräch).
Zitiert nach (2): „Die Autoren geben an, dass „als Nahrung der Erdkröte jedes Tier dient, welches sich durch Bewegungen als Beute zu erkennen gibt und nicht eine bestimmte Größe überschreitet. In der Hauptsache besteht die Nahrung im Untersuchungsgebiet aus Nacktschnecken und Insekten.“ …….
„Die Larven ernähren sich vorwiegend von dem Algenbewuchs, der auf Wasserpflanzen und anderen Substraten (Totholz, Steinen etc.) wächst und den sie mit Hilfe ihrer Raspelzähnchen abweiden. Hinzu kommt Detritus (=organisches Material in Gewässern), aber auch Mikroplankton, das durch Wasserfiltrierung aufgenommen wird (VIERTEL 1985). …somit haben Erdkrötenlarven auch für die Wasserhygiene Bedeutung…“
Nach Sichtung entsprechender Handbücher sind wir als Ortsgruppe überzeugt, dass die Krötenzaunaktionen sehr sinnvoll sind und keinen schädlichen Eingriff in die Natur darstellen. Eher wird der negative Einfluss des Straßenverkehrs ausgeschaltet. Wir empfinden eine besondere Genugtuung, wenn wir sehen, dass seit Errichtung der Zäune praktisch kaum noch Tiere überfahren wurden.
Ich trug Bedenken Herrn Geiger vor, die Krötenvermehrung könne möglicherweise Wildschweine vermehren. Seine Antwort: „Hohe Zahlen werden gleich zu Unrecht negativ ausgelegt. Das hat nichts mit Biologie zu tun“.
Insbesondere die Sommeraktion zum Schutz der jungen Erdkröten und Molche halten wir für sehr erfolgreich und notwendig:
Zitat aus (3): „Auf das bekannte Problem der überwiegend ungeschützten Abwanderung der Jungtiere im Bereich der temporären Anlagen muss dabei besonders hingewiesen werden. Hier sind hohe Mortalitäten zu erwarten. ……Hinzu kommt, dass beim Einbau einer festen Anlage nicht nur die an- und abwandernden Alttiere auf ihrem Weg zum/vom Laichgewässer geschützt werden, sondern auch die zeitlich versetzte Abwanderung der Jungtiere vom Gewässer. Nebenbei profitieren auch weitere Boden gebundene Arten von einer solchen Anlage. Dieser ganzheitliche Ansatz ist ein zentrales Anliegen des Artenschutzes.“
Der BUND schreibt zum Problem der Jungtierwanderung: „Die Abwanderung der Jungtiere und die Herbstwanderung der Amphibien werden dagegen äußerst selten erfasst. Dies kann, in
Abhängigkeit von der Verkehrsdichte auf den Straßen, langfristig zum Aussterben von alten
Amphibienpopulationen führen“.
Zum Schluss noch ein Satz zur Umsiedlung von Amphibien aus dem Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens : „Aus populationsökologischer Sicht ist deshalb die Umsiedlung Adulter weitgehend sinnlos und allenfalls aus tierschützerischen Erwägungen vertretbar, da möglicherweise der Tod der verfrachteten Kröten im neuen Lebensraum etwas später eintritt als im zerstörten alten“. Es bleibt also nur übrig, die Amphibien an ihren angestammten Plätzen zu schützen.
In diesem Sinne wollen wir weiter planen und handeln.
Peter Dresel
Literatur:
(1) Auszüge aus „Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs“ S. 119 ff.
(2) Auszüge aus “Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens“ Band 1:
(3) Auszüge aus “Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens“ Band 2:
Siehe: Informationen aus oben genannten Fachbüchern zur Amphibienwanderung
Empfehlenswerte Internetseiten: