Orchideen bei Warstein und Kallenhardt

Fast die Hälfte aller Arten ausgestorben – Orchideenparadies im Oberhagen

Orchideen gelten als Inbegriff tropischer Schönheit. Weltweit sind ca. 25.000 bis 30.000 Arten beschrieben worden. Auch in den Wiesen an Möhne und Wäster und in den Weiten des Warsteiner und Rüthener Waldes kann der aufmerksame Wanderer zahlreiche Orchideen entdecken. Während viele exotische Arten zu den Epiphyten gehören und oft in den Wipfeln großer Urwaldbäume wurzeln, wachsen unsere heimischen Orchideen alle auf dem Erdboden.

Der bekannte Heimatforscher Bernhard Wiemeyer (1861 – 1929) hat zu Beginn des letzten Jahrhunderts die „wildwachsenden Pflanzen Warsteins und seiner näheren Umgebung“ beobachtet und alle von ihm gefunden Arten in der „Flora von Warstein“ (1914) aufgelistet. So wissen wir heute, dass vor rund hundert Jahren noch 16 Orchideenarten im Warsteiner Raum beheimatet waren. Davon sind inzwischen 7 Arten ausgestorben und die verblieben Arten sind größtenteils sehr selten geworden und kommen nur noch an wenigen Standorten vor.

Wiemeyer beschreibt 7 verschiedene Orchideenarten im Oberhagen. Nirgendwo sonst im Warsteiner Raum kommen auf so kleiner Fläche so viele Arten vor. Der Oberhagen ist ein kleines Orchideenparadies.

Bereits ab Ende April kann man das Männliche Knabenkraut finden. Die Blattrosette und die frühe Erscheinungszeit unterscheiden es von ähnlichen Arten und das verwandte Kleine Knabenkraut ist bereits ausgestorben. Alle Knabenkräuter besitzen hodenförmige Wurzelknollen, die auch der gesamten Familie der Orchideen ihren Namen gegeben haben. Das Männliche Knabenkraut ist ein Kalkzeiger. Wo immer man diese Pflanze findet, kann man davon ausgehen, auf kalkhaltigem Boden zu stehen. Die Samen sind fast so klein wie Pilzsporen, weil sie kein zusätzliches Nährgewebe besitzen. Durch den Wind können sie kilometerweit fortgeweht werden. Bei der Keimung ist die Pflanze aber auf einen speziellen Pilz angewiesen, der die nötigen Nährstoffe liefert.

Anfang Mai erscheint das Große Zweiblatt. Kennzeichnend sind zwei große, eiförmige, fast gegenständige Blätter aus deren Mitte der Blütenstand entspringt. Diese Pflanze hat sich perfekt an das Leben in dunklen Wäldern angepasst. Selbst die Blüten sind an der Photosynthese beteiligt, wie man an der überwiegend grünen Blütenfarbe erkennen kann.

Ein besonderer Schattenspezialist ist die Vogel-Nestwurz. Ab Ende Mai kann man die gelb-bräunlichen Blütenstände sehen. Diese Pflanze besitzt überhaupt keine grünen Blätter und ist vollständig von einem Wurzelpilz abhängig, der sie mit Nährstoffen versorgt. Pilzfäden und Pflanzenwurzeln bilden ein Geflecht, das an ein Vogelnest erinnert. Die Vogel-Nestwurz kann jahrelang im Boden wachsen, sich vegetativ vermehren und sogar unterirdisch zur Blüte kommen. Die Blütephase scheint für den Pilz aber schädlich zu sein, da danach oft der ganze Wurzelstock abstirbt.

Im Juni kann man im Oberhagen zwei weitere Orchideenarten entdecken. Zum einen ist es das Gefleckte Knabenkraut, das aber hauptsächlich auf Magerrasen und Feuchtwiesen vorkommt. Zahlreiche Hybride erschweren die Artbestimmung. Sehr selten geworden ist die Rotbraune Stendelwurz. Im Warsteiner Raum kommt sie nur noch im Oberhagen vor. Ihre purpur bis braunroten Blüten duften nach Vanille. Das ist nicht verwunderlich, da auch die Gewürzvanille zu den Orchideenarten zählt. Die Rotbraune Stendelwurz bevorzugt warme und lichte Laubwälder und Gebüsche und wächst nur an einem Standort an der Steinbruchkante. Mit dem Abbruch der Oberhagenwand wird mit Sicherheit diese Orchideenart verschwinden.

Der Juli ist der orchideenreichste Monat im Oberhagen. Dann blüht die Breitblättrige Stendelwurz. Diese Pflanze stellt nicht so hohe Ansprüche an den Kalkgehalt des Bodens, wächst sogar an Straßenrändern und in Gartenanlagen und gehört zu den häufigsten Orchideenarten. Ihre Blüten sind grünlich bis rötlich. Im Oberhagen kann man diese Pflanze zu Hunderten finden. Im letzten Jahr wurde die Breitblättrige Stendelwurz zur Orchidee des Jahres gewählt.

Bernhard Wiemeyer zählt noch eine Reihe weiterer Orchideenarten auf, die früher in der Umgebung Warsteins vorkamen. Ausgestorben sind Rotes Waldvögelein, Weiße Händelwurz, Weiße Waldhyazinthe, Grüne Hohlzunge und Purpur-Knabenkraut. Auch die Mücken-Händelwurz die früher nach Angaben von Wiemeyer noch verbreitet war, lässt sich nirgends mehr finden.

Sehr selten geworden ist das Waldvögelein. Es gehört zu den schönsten heimischen Waldorchideen. In lichten Wäldern am Stillenberg oder im Lörmecketal kann man noch vereinzelt die weißblühenden Pflanzen im Mai und Juni finden. Es gibt zwei ähnliche Arten: Das Weiße Waldvögelein besitzt die breiteren und kürzeren Blätter und die Blüten sind mehr gelblich-weiß. Das Schwertblättrige Waldvögelein unterscheidet sich durch rein-weiße Blüten und die wesentlich längeren Blätter.

Auf Feuchtwiesen bei Hirschberg und im Bibertal blüht ab Mitte Mai das Breitblättrige Knabenkraut. Es wächst oft mit dem Gefleckten Knabenkraut zusammen, das aber meist erst Anfang Juni erscheint. Das Breitblättrige Knabenkraut ist kräftiger und hat purpurfarbige Blüten, während das Gefleckte Knabenkraut etwas schlanker aussieht und auch hellere Blüten besitzt. Die Blätter sind bei beiden Arten meistens gefleckt. Nicht selten sieht man Hybriden der beiden Arten, die oft ungefleckte Blätter haben.

Orchideen sind selten geworden
Die Anzahl der Orchideen-Biotope ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark zurückgegangen. Viele früher häufige Arten sind nur noch an wenigen Standorten zu finden oder bereits ausgestorben. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ein Problem ist die Intensivierung der Landwirtschaft: Magerwiesen und Viehweiden werden stark gedüngt oder zu Ackerfläche umgebrochen. Feuchtwiesen wurden entwässert und Sümpfe trocken gelegt. Durch Industrieansiedlung im Enkebruch sind ausgedehnte Orchideen-Wiesen und Enzianvorkommen vernichtet worden. Auch der Flächenverbrauch der Steinindustrie ist enorm. Viele Orchideenarten sind auf Kalkgrund angewiesen und ihnen wird buchstäblich der Boden unter den Füßen weggebrochen.

Es liegt an uns, die letzten Orchideenbiotope zu erhalten und zu schützen.

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